Entrissen
Die Medien informieren uns täglich über tödliche Verkehrsunfälle. Eine sachliche Beschreibung des Unfallhergangs und die Anonymität des Opfers führen dazu, dass wir nahezu stoisch auf diese Nachrichten reagieren. Die Meldungen sind Normalität. Bis man selbst betroffen ist. Mein Vater wurde durch einen Unfall unerwartet von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben gerissen. Uns blieb keine Vorbereitungszeit. Kein Abschied. Anstelle dessen erinnerten wir uns an die letzte Begegnung, den letzten Kontakt. Wir suchten die Unfallstelle auf, um zu begreifen, was nicht zu begreifen war. Meine Mutter sagt, er lebe in uns Kindern weiter. Schließlich teilen wir seine Gene, wurden durch seine Erziehung fürs Leben geprägt. Mein Bruder sagt, unsere Familie ist an seinem Tod zerbrochen. Die Lücke, die er hinterlässt, ist mit Worten nicht zu beschreiben.
„Entrissen“ ist ein Teil der Verlustverarbeitung. Die Fotografien entziehen einem Unfalltod die Anonymität und geben der Realität ein Gesicht. Gleichzeitig wird der Betrachter auf die überall bestehende Unfallgefahr und deren Unmittelbarkeit aufmerksam gemacht.